Krimi/Thriller



Sullivan, Mark T.

Geistertanz

"Charun" nennt sich ein Serienmörder in den kryptischen Botschaften, die er bei seinen Opfern in der US-Kleinstadt Lawton hinterläßt. Eine Polizistin und ein Anthropologe untersuchen den Fall und stoßen auf einen 100 Jahre zurückliegenden Mord an einer Indianerin, in den die Vorfahren von allen Einwohnern der Stadt verwickelt scheinen. "Geistertanz" ist ein flüssig geschriebener Roman ohne literarische Ambitionen, der alle nötigen Inkredienzien eines Thrillers enthält: einen wahnsinnigen, raffiniert vorgehenden Serienkiller, schamanische Halluzinogene, ein altes Geheimnis, das von einer Verschwörung des Schweigens umgeben ist, und eine alles überwindende Liebe. Was den Rahmen des Genres etwas sprengt, ist das Tagebuch der ermordeten Indianerin Many Horses, in dem der angesehene, mehrfach für den Pulitzerpreis vorgeschlagene Journalist Mark T. Sullivan gründlich recherchierte Details aus Geschichte und Religion der Sioux mit der Handlung verbindet.

A. d. Amerikan. Hamburg:Hoffmann und Campe 2000. 380 S. öS 332,-
Andrea Bernardyn


Delelis, Philippe

Die letzte Kantate

In Paris werden mehrere Menschen mit einem alten Schwert ermordet, nachdem sie sich mit Bachs "Musilalischem Opfer" befasst haben, besonders mit dem "Königlichen Thema", auf dem dieses beruht und das in den Werken mehrerer berühmter Komponisten auftaucht. Eine geniale Musikstudentin und ein Kriminalbeamter untersuchen den Fall. Sie setzen sich auf allen Ebenen bis hin zur alchimistischen und kabbalistischen Zahlenmystik mit dem Werk auseinander, müssen aber entdecken, dass jede Antwort zu weiteren Fragen führt. In die Krimihandlung eingestreut sind mit leichter Hand skizzierte historische Miniaturen wie die Weitergabe des Geheimnisses von Bachs Sohn Johann Christian an Mozart und von diesem über Beethoven und Wagner, Mahler und Webern sowie Schlüsselszenen aus dem Leben dieser großen Musiker. Nachdem einige davon unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen, entsteht der Verdacht, als würde quer durch die Jahrhunderte gemordet. Der Debütroman des französischen Anwalts ist gut geschrieben, spannend und ungewöhnlich. Man muss nichts von Musik verstehen, aber man sollte eine gewisse intellektuelle Verspieltheit mitbringen, um diesen reizvollen Genremix aus Krimi, historischen Szenen und Musiktheorie richtig zu genießen.

A. d. Französ. Hamburg: Hoffmann und Campe 2000. 301 S. öS 291,-
Andrea Bernardyn



Eichel, Christine


Schwindel

Ein Barpianist, professioneller Gigolo und Frauenmörder legt vor einer Gefängnispsychologin seine Lebenbeichte ab und referiert redegewandt und mit unterschwelliger Ironie im leichten Plauderton, wie er seinen Opfern, die allesamt im mittleren Alter waren, nocheinmal die Illusion gab, schön und begehrenswert zu sein. Ungewöhnlich ist die formale Konsequenz des Romans, der eine komplexe Geschichte ausschließlich in geschliffenen Dialogen erzählt und dabei psychologische Fakten und musikalisches Fachwissen rund und sinnlich aufbereitet. Die 1959 geborene Christine Eichel hat Philosophie studiert, über Adorno dissertiert und lässt den Leser an ihrem umfassenden Wissen teilhaben, intelligenterer Ingrid-Noll-Roman und ist auch für ein ähnliches Publikum gedacht.

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2000. 207 S. öS 218.-

Andrea Bernardyn


Turow, Scott

Die Gierigen und die Gerechten

Schadenersatzanwalt Robbie Feaver sitzt in der Klemme: Die Steuerfahndung hat das Schwarzgeldkonto gefunden, aus dem er die Richter schmiert, bei denen seine Fälle regelmäßig landen. Um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, erklärt er sich bereit, mit Staatsanwalt und FBI bei der Zerschlagung der korrupten Justizwesens der Stadt Kindle Country zusammen zu arbeiten. Als die verdeckte Operation auffliegt, muss Robbie erkennen, dass ihn niemand vor dem Zorn der Mächtigen schützen kann und dass seine Freunde nicht so loyal sind wie er selbst. - Mittlerweile gibt es so viele Anwaltsthriller dass man sich fragt, wieso man diesen lesen sollte.

Ganz einfach: Weil er gut ist. Nämlich gut konstruiert und gut geschrieben, ziemlich puristisch, sehr stringent. Das Äußere der Personen wird großteils verschwiegen, dafür erzählen sie ihre Geschichte in eigenen Worten, wordurch der Leser die subjektiven Standpunkte kennenlernt. Das dadurch geweckte Interesse an den Protagonisten speist die Spannung, die durch einige überraschende, aber nicht unwahrscheinlich wirkende Wendungen angeheizt wird.

A. d. Amerikan. München: Blessing 2000. 543 S. öS 364.
Andrea Bernardyn

Fyfield, Frances

Ein böser Verdacht


Als der Zug verunglückt, in dem Amy Petty sitzt - es handelt sich um die
reale Katastrophe von Paddington 1999, bei der 40 Menschen getötet und 300
traumatisiert wurden -, nutzt diese die Gelegenheit, um spurlos zu
verschwinden. Ihre Motive erschließen sich dem Leser erst allmählich:
zunächst hat es den Anschein, als flöhe sie vor ihrem Mann, der soeben von
der Skandalpresse beschuldigt wurde, sie regelmäßig zu verprügeln und
Unzucht mit den Schützlingen seines Hundeasyls zu treiben. Die
Anwaltskanzlei, die Douglas Petty beauftragt hat, diesbezüglich eine
Verleumdungsklage einzubringen, soll auch Amys Verschwinden klären, weshalb
Anwältin Elisabeth Manser Nachforschungen anstellt und auf immer mehr
Personen stößt, die Petty aus den unterschiedlichsten Motiven übel wollen.
"Ein böser Verdacht" ist eine genreübergreifende Mischung aus (wenig) Krimi
und (viel) Entwicklungssgeschichte der ProtagonistInnen, vor allem der von
Amy und Elisabeth, die einander sowohl äußerlich aus auch in ihrem Verhalten
gleichen. Dabei verbindet die Autorin kühle Charakteranalyse und Verständnis
für menschliche Schwäche, besonders am Beispiel von Amys Vater, bei dem die
Verschwundene untertaucht, der vor Jahren wegen sexueller Belästigung
Minderjähriger verurteilt wurde und behauptet, seine Frau habe ihn
verleumdet, der aber dennoch mit Leidenschaft Puppenhäuser baut und im
Eiskasten Süßigkeiten hortet, für den Fall, dass doch eimal kleine Mädchen
vorbeikämen.
Die Spannung des Buches liegt weniger in der äußeren Handlung als in der
peniblen Untersuchung der Grauzonen zwischenmenschlicher Beziehungen, des
Wechselspiels von Hass, Abneigung, Freundschaft und Liebe.
Frances Fyfield ist das Pseudonym der Londoner Juristin Frances Hegarty, die
immer noch einen Tag pro Woche als Anwältin der Krone arbeitet.
Das Buch wurde bereits im September auf Serie angekauft.


Hamburg: Hoffmann und Campe 2002. 349 S. A.d.Engl. EUR 22,60 DR.D


Andrea Bernardyn

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