Literatur aus Österreich


Pollack, Martin

Anklage Vatermord. Der Fall Philipp Halsmann.

Philipp Halsmann geht mit seinem Vater in den Zillertaler Alpen wandern. Dabei kommt der Vater an einer alpinistisch leichten Stelle zu Tode. Schon bald steht der Verdacht eines Mordes im Raum. Als Hauptverdächtiger gilt von Anfang an Philipp Halsmann, der Sohn. Wir schreiben das Jahr 1928. Die Tiroler Polizei und Justiz ermitteln, stellen aber nur Indizien fest. Philipp Hausmann sagt immer wieder, dass es ein Unfall war. Er versucht alles zu erklären, vermutlich mehr für sich als für die anwesenden Ermittler und Richter. Am Ende wird er verurteilt. Die Verteidigung geht in Berufung, das Vermögen der Familie schwindet. Der neue Prozess wird wieder gegen ihn entschieden. Am Ende sitzt Philipp Hausmann eine viereinhalb Jahre dauernde Haftstrafe wegen Totschlag ab. Nie wieder erwähnt er anschließend noch ein Wort über diese Geschichte.Martin Pollack schildert diesen Straffall, und er ist nicht der erste. Denn schon während und auch nach Abschluss dieses Falles melden sich viele teilweise namhafte Personen, wie der junge Erich Fromm oder Sigmund Freud, zu Wort. Der Fall gewinnt internationales Interesse. Er wird zu einer Auseinandersetzung des Landes Tirol mit großen Teilen Europas und Amerika.Und ich denke mir, dass eben dieser Kampf zwischen regionalnationalen Stolz der Tiroler und juristischer Gerechtigkeit der für Martin Pollack entscheidende Angelpunkt ist, warum er dieses Buch geschrieben hat. Der aufkeimende Nationalsozialismus beziehungsweise Antisemitismus stehen einem objektiven, juristisch gerechtfertigten Urteil ebenfalls entgegen. Zumal Philipp Halsmann Jude und Fremder, sein Auftreten vor Gericht dem Wohlwollen der Tiroler Richter ebenfalls nicht zuträglich war, konnte es am Ende nur zu seiner Verurteilung führen. Martin Pollack bewertet nicht die einzelnen, beteiligten Personen, vielmehr versucht er die Gründe der Verurteilung in diesem Zeitgeschehen zu finden. Als Leser wird man das Gefühl nicht los, dass er damit recht hat.Das Buch selbst ist wie eine Reportage geschrieben, die gekonnt reale Begebenheiten mit dem Blick des Fiktiven verbindet, auch wenn jeder Schritt immer in der wahren Geschichte eingebunden ist. Ihre Spannung gewinnt sie gerade aus diesem Kunstgriff.

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002. 324 S. zahlr. Abb. Eu 22,10 DR
Thomas Jürgens

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